Heute wollen wir uns im 2. Türchen damit auseinandersetzen, was hinter diesem “sexistischen System”, von dem im letzten Türchen die Rede war, überhaupt steckt und was für eine Rolle Männlichkeiten bzw. Weiblichkeiten darin einnehmen.
Wir verstehen Sexismus nicht einfach als individuelles Problem einzelner Menschen. Sondern auch, die strukturelle Unterdrückung im zugrundeliegenden Geschlechtersystem, das seit Jahrtausenden historisch gefestigt wurde.
Dieses System ist binär, da es Menschen in zwei Kategorien einteilt: Mann/Junge oder Frau/Mädchen². Das passiert schon kurz nach der Geburt, wenn die Eltern, Hebammen oder Ärzt*innen entscheiden, ob das Baby ein Junge oder ein Mädchen sein soll. Einige Neugeborene lassen sich allerdings gar nicht genau in diese zwei Kategorien ordnen, sodass es durchaus zu operativen Eingriffen kommt – natürlich ohne, dass der junge Mensch das bestimmen kann. Die Einteilung von Menschen in das binäre Geschlechtersystem wird oft als Geschlechtszuschreibung bezeichnet.
Den beiden Geschlechtern werden in diesem System soziale Rollen zugeschrieben. Diese Rollen werden von großen Teilen der Gesellschaft akzeptiert und durch Normen, Filme, Bücher oder Aussagen gefestigt. Wie beispielsweise: “Jungen tragen blau und spielen mit Autos, Mädchen tragen rosa und spielen mit Puppen” oder: “Frauen² (bzw. FLINTA*³) machen den Haushalt und Männer verdienen das Geld.”
Solche Rollen und Aussagen führen zu Anforderungen an Menschen, denen die zugehörige soziale Rolle zugeschrieben wird. Diese Anforderungen wiederum sind häufig sehr gewaltvoll und unterdrückend. Dies werden wir uns in den kommenden Tagen noch etwas genauer anschauen.
Binär heißt allerdings auch, dass die Existenz von nicht-binären, transgender, inter* Menschen, agender Menschen und allen Geschlechtern, die sich nicht als cis männlich⁴ oder cis weiblich⁴ identifizieren, verleugnet wird. Somit ist es auch ein Privileg cis gender zu sein.
Die Kategorien “männlich” und “weiblich” definieren sich dabei oft über Abgrenzung, sprich: männlich ist, was nicht weiblich ist und weiblich ist, was nicht männlich ist.
Das zeigt sich z.B. ganz deutlich, wenn “weiblich sein” Männlichkeit in Frage stellt und abwerten soll. Dadurch wird sowohl “weiblich” von “männlich” abgegrenzt, als auch eine Abwertung von Weiblichkeit erzeugt.
Zweitens ist das Geschlechtersystem hierarchisch. Das bedeutet, dass mit der Geschlechtszuschreibung gleichzeitig auch Macht verteilt wird. Wie das genau aussieht, ist nicht immer ganz eindeutig und wird in den nächsten Tagen nochmal aufgegriffen. Allerdings sind die ganz nüchternen Betrachtungen, wie die Verteilung von Ressourcen in der Gesellschaft oder der Zugang zu (wirtschaftlicher oder politischer) Macht sehr aussagekräftig. Das zeigt sich zum Beispiel dadurch, dass in NGOs¹ ca. 70% Frauen² arbeiten, aber nur ca 33% in den Führungsetagen sitzen.
Der ungleichen Verteilung von Macht und der Überordnung vom Männlichen über das Weibliche liegt eine Herrschaftsordnung zugrunde, die auch Patriarchat genannt wird.
Wir wollen kurz darauf hinweisen, dass das natürlich nicht das einzige Machtsystem in unserer Gesellschaft ist und es oft nicht einfach ist, Positionierungen in verschiedenen Unterdrückungssystemen (Rassismus, Ableismus, Klassismus etc.) zu entkoppeln.
❓ Fragen zur Reflexion:
- Wie geht es dir mit diesem Input?
- Sind dir diese Mechanismen und Zusammenhänge bewusst? Erkennst du diese Strukturen in dir und deinem Alltag?
- Welche cis Privilegien fallen dir ein?
- Fallen dir persönliche Beispiele ein, in denen diese patriarchalen Strukturen zum Vorschein kommen?
- Hast du daraus schon mal selbst Vorteile gezogen?
ℹ️ Begriffserklärungen:
- ¹ NGOs: (engl.: Non Governmental Organizations) nichtstaatliche Organisation
- ² Im ganzen Text ist von Mann und Frau die Rede, da das Geschlechtersystem binär aufgebaut ist und die Existenz anderer Geschlechtsidentitäten nicht berücksichtigt, was nicht mit der Realität übereinstimmt.
- ³ FLINTA*
➡️ Quellen und Links zur Vertiefung:
- Dissens Podcast: Alles Für Alle – Folgen 1-3
- Karrierechancen von Frauen in NGOs