17. Türchen – Sorgearbeit

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Wer bringt den Müll bei euch in der WG, Familie oder Arbeit regelmäßig runter? Wer geht auf andere zu und kümmert sich darum, dass es ihnen gut geht? Wer spült schon ab, während die anderen beim gemeinsamen Abendessen noch reden?
All das sind Fragen der sogenannten Sorgearbeit, häufig auch Care-Arbeit genannt. Der Begriff beschreibt die Tätigkeiten des Sorgens und Sich-Kümmerns. Darunter fällt z.B. Kinderbetreuung oder Altenpflege, aber auch familiäre Unterstützung, häusliche Pflege, Beziehungsarbeit oder Hilfe unter Freund*innen. Im Zentrum der Sorgearbeit stehen also meistens nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern die anderer Personen.
Das Konzept der Care-Arbeit ist eng an das der Reproduktionsarbeit geknüpft. Darunter fallen Aufgaben, die zur Aufrechterhaltung sozialer und gesellschaftlicher Verhältnisse dienen, darunter zum Beispiel die Kinderbetreuung.
Obwohl Care-Arbeit und Reproduktionsarbeit unverzichtbar für eine funktionierende Wirtschaft und Gesellschaft sind, bleibt diese meistens unbezahlt, erlangt ökonomisch und gesellschaftlich kaum Anerkennung.

Die Tätigkeiten der Care-Arbeit sind sowohl in Deutschland als auch global ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt. Laut einer Statistik des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend – kurz BMFSFJ – (die leider nur binär zwischen Frauen und Männern aufgeschlüsselt ist) verwenden Frauen im Durchschnitt 253 min (ca. 4 Stunden) und Männer 166 Minuten (ca. 2,5 Stunden) auf unbezahlte Sorgearbeit. Dieser statistische Unterschied wird auch als Gender Care Gap bezeichnet.

Es geht dabei aber nicht nur um die eigentliche Tätigkeit, sondern auch darum, wer die Verantwortung und Initiative dafür übernimmt, dass die Tätigkeiten ausgeführt werden. Die damit einhergehende Belastung wird auch “Mental Load”, zu Deutsch mentale Belastung, genannt. Zum überwiegenden Teil wird sie von FLINTA* getragen. Wenn ihr testen wollt, wie viel Mental Load ihr übernehmt, gibt es auf der Website sowohl einen Test für den privaten, als auch für den beruflichen Bereich eures Lebens (Link unten).

Die Sorgearbeit wird heutzutage zunehmend an bezahlte Personen ausgelagert.
Das löst das Problem aber nicht, sondern verschiebt es auf einen ärmeren und meist auch migrantischen Teil der Gesellschaft. Besonders, wenn FLINTA* extra für diese bezahlten Sorgetätigkeiten nach Deutschland migrieren müssen, entstehen Lücken in der Sorgearbeit ihrer eigenen Familie, die oftmals von nahestehenden FLINTA* in der Familie zusätzlich übernommen wird. Oder wie Teresa Bücker es in ihren SZ-Artikel schreibt: “Wer putzt die Wohnung der Putzkraft? Wer pflegt die Mutter der osteuropäischen Pflegekraft?”

Diese Auslagerung der Sorgetätigkeit stärkt globale Machtverhältnisse und Ungerechtigkeiten, anstatt sie zu überwinden. Solange Sorgearbeit nicht als “richtige” Arbeit angesehen wird und unser Wirtschaften darauf ausgelegt ist, dass der privilegierte Teil der Bevölkerung diese Arbeit auf weniger privilegierte Personen abwälzt, um selbst Karriere machen zu können, wird sich daran auch nichts ändern.

❓ Reflexionsfragen:

  • Übernimmst du Care Arbeit? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie viel?
  • Wie oft übernimmst du die Initiative fürs Aufräumen/Abspülen/..?
  • Glaubst du, du kannst gut einschätzen, wer in deinem Umfeld wie viel Care Arbeit leistet, oder nimmst du viel dieser Arbeit vielleicht gar nicht wahr (da du sie für selbstverständlich erachtest)?
  • Mit welchen Personen redest du hauptsächlich über deine Gefühle? Wer sorgt dafür, dass es dir gut geht?
  • Kümmern sich in deinem Umfeld alle gleichermaßen um den Erhalt und die Pflege von zwischenmenschlichen Beziehungen?
  • Von welchen Personen wirst du meistens an Geburtstage, wichtige Termine, Vorlieben von Freund*innen usw. erinnert? Machen sich alle ähnlich viele Gedanken?

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