Startest du ins neue Kalenderjahr mit neuen (oder alten) Vorsätzen? Welche Vorsätze beschäftigen dich im zwischenmenschlichen Bereich? Hast du dir schonmal vorgenommen, mehr mit einer Person in Kontakt zu bleiben? Oder Probleme anzusprechen und mit Konflikten anders umzugehen? Wer übernimmt in deinen Beziehungen zu anderen solche Aufgaben? Wie, wann und von wem werden Bedürfnisse und Emotionen kommuniziert?
Wir möchten diesen Monat eine Publikation vorstellen, die sich mit emotionaler Arbeit in zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt. In dem Zine „WHO CARES – Wer sorgt sich hier um wen?“ beschäftigt sich das Kollektiv Patriarchat Zerschmetterlinge (Instagram: @patriarchat_zerschmetterlinge) mit der Frage: Wer übernimmt für wen emotionale Arbeit in unserer Gesellschaft?
Im Unterschied zu emotionaler Arbeit, die (oft unbezahlt) Teil der Lohnarbeit ist (wie Kund*innenkontakt z.B. als Flugbegleiter*in), geht es um unbezahlte emotionale Beziehungsarbeit im engeren privaten Umfeld. Es geht hier also nur um einen kleinen Aspekt von “Reproduktionsarbeit¹ und Fürsorgearbeit”. Die Auseinandersetzung damit hört hier also noch lange nicht auf und der Diskurs um emotionale Arbeit und andere Formen der Reproduktionsarbeit umfasst einiges mehr.
Wir widmen diesen Monat diesem Thema, da das Zine einen praktischen Einstieg bietet und dabei hilft, ein besseres Verständnis für die Verteilung von emotionaler Arbeit zu erlangen. Die praktische Auseinandersetzung mit der eigenen Beziehungsarbeit soll FLINTA* Leben besser machen und zu einer gerechteren Verteilung beitragen.
In dem Zine geht es einerseits darum, emotionale Arbeit sichtbar zu machen. Andererseits gibt es Anregungen, welche individuellen Handlungen (neben strukturellen Veränderungen) zu ihrer gerechten Gestaltung beitragen können.
Eigentlich ist es aus einem Workshop entstanden, der mit dem Zine auch selbst durchgeführt werden kann. Es bietet dafür passende Alltagsbeispiele und Übungen. Wir wollen euch einige Kapitel daraus vorstellen.
Zum Kollektiv:
Die Patriarchat Zerschmetterlinge legen Wert auf “Freund*innenschaften als stabile Konstanten in Zeiten der seriellen Monogamie² ” (Zitat aus dem Zine) und beschreiben am Ende des Zines, was es damit und mit der Arbeit des Kollektivs auf sich hat:
“In unserer Gesellschaft ist Fürsorge vor allem in Kleinfamilien konzentriert und findet meist in romantischen Beziehungen statt. Wir in unserem Kollektiv wollen unser Wohlergehen aber nicht nur auf eine Person stützen und von dieser anhängig machen. Denn das Überlastet diese eine Beziehung stark und ist sowohl einseitig als auch nicht nachhaltig. Damit geht auch eine Abwertung von Freund*innenschaften einher, welche als zweitrangig im Vergleich zu romantischen Beziehungen gesehen werden.
WHO CARES – Wer sorg sich hier um wen?
Wir als Kollektiv wollen aktiv daran arbeiten Freund*innenschaften aufzuwerten und romantische Beziehungen nicht auf eine Empore zu stellen. Daher haben wir uns bewusst für verbindliche Freund*innenschaften zwischen uns entschieden. Wie wir diese ausleben wollen ist ein ständiger Prozess und hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt.
Wir treffen uns neben politischer Arbeit aktuell regelmäßig für intentionale Emotionale Arbeit (zum Beispiel mit Aktivem Zuhören) oder um einfach Zeit zusammen zu verbringen. Wir wollen auch langfristige gemeinsame Pläne entwerfen, überlegen welche Ressourcen wir uns teilen können und welche Alternativen zur klassischen Kernfamilie wir als Carenetzwerk leben wollen.”
ℹ️Begriffserklärung:
¹Reproduktionsarbeit – Reproduktionsarbeit ist ein Kampf- und Streitbegriff innerhalb feministischer Diskussionen. Er ist theoretisch ungenau und umstritten. Er soll eine Abgrenzung zu Produktionsarbeit³ sein, um auf (unsichtbare) geschlechtergetrennte unbezahlte Arbeit und deren ausbeuterische Strukturen hinzuweisen und gleichzeitig die Wichtigkeit dieser Arbeit für alle hervorzuheben. Die Unterscheidung zwischen Produktion (Herstellung von Dingen) und Reproduktion (Herstellung oder Wiederherstellung von Leben/Arbeitskraft) geht auf Karl Marx zurück. Einige andere Begriffe, die versuchen, Teile von Reproduktionsarbeit genauer zu beschreiben, sind z.B. Sorge- oder Pflegearbeit, Hausarbeit, Erziehung, Carework, emotionale Arbeit.
²Monogamie – Monogamie bedeutet ‚Einehe‘ und beschreibt, dass eine Person nur mit einer anderen Person auf einmal verheiratet bzw. in einer Beziehung ist.Außerdem beschreibt es die gesellschaftliche Norm, nach der immer nur zwei Menschen miteinander verheiratet sein dürfen, bzw. es nicht gesellschaftlich anerkannt ist, mehr als eine*n Partner*in zu haben. (queer Lexikon)
³Produktionsarbeit – Produktionsarbeit beschreibt bezahlte Lohnarbeit für die Herstellung von Dingen bzw. dem Angebot von Dienstleistungen. Produktionsarbeit wird Reproduktionsarbeit in kapitalistischen Gesellschaften übergeordnet.