Anmerkung: Dieser Text ist ein Auszug aus dem Zine “Who Cares – Wer sorgt sich hier um wen?” von den Patriarchat Zerschmetterlingen (Instagram: @patriarchat_zerschmetterlinge).
[…] Herkunft des Begriffs: Zuerst wurde der Begriff von Arlie Hochschild 1983 im Buch „The Managed Heart: Commercialization of Human Feeling“ verwendet. Hochschild differenzierte dabei zwischen „emotional labour“, also Emotionaler Lohnarbeit und „emotional work“ im unbezahlten Sektor, die wir in diesem Zine betrachten wollen. […] Emotionale Lohnarbeit […] inkludiert die Erwartung an Arbeitnehmerinnen in sogenannten „Frauenberufen“, dass diese zusätzlich zur inhaltlichen Arbeit/Dienstleistung auch freundlich sein sollen. Und dieses freundlich sein bedeutet im Grunde „künstliche“ Emotionen für das Wohlbefinden der Kund*innen aufzubringen. Betroffen von dieser Emotionalen Lohnarbeit sind z.B. Sexarbeiter*innen, Psychotherapeut*innen, Flugbegleiter*innen, Personen in der Pflege und im Service. In allen genannten Abteilungen sind bis heute vorwiegend Frauen beschäftigt.In Abgrenzung dazu steht Emotionale Arbeit in diesem Zine für:
- Das Sich-Sorgen um zwischenmenschliche Beziehungen
- Die eigenen und die Emotionen anderer Personen wahrnehmen
- Auf andere Personen zugehen und Emotionen ansprechen
- Für das Wohlbefinden und Funktionieren von Beziehungen sorgen
- Die aktive Anstrengung, welche wir unternehmen, damit Beziehungen aller Art funktionieren.
Beispiele:
- Nachfragen, wie es der Person geht
- Treffen vereinbaren
- Probleme ansprechen
- Den Kontakt halten/sich melden
Ungerechte Verteilung von Emotionaler Arbeit
Emotionale Arbeit ist die Grundlage für jede Beziehung, ob nun zu Bekannten, Freund*innen, Familie oder sich selbst. Diese Arbeit muss getan werden, damit es ein funktionierendes Miteinander geben kann. Doch als Teil von Sorge- und Reproduktionsarbeit reiht sie sich in ein binäres Geschlechterbild und die Rollenzuteilung in heteronormativen Beziehungen ein. Emotionale Arbeit muss gerecht verteilt werden! […] Um Emotionale Arbeit zu leisten, erfordert es Fähigkeiten, welche wie andere grundlegende Kompetenzen (z.B. das Sprechen oder Laufen) erlernt werden müssen. Zu diesen Fähigkeiten zählen beispielsweise Empathie oder das Aktive Zuhören . Die Anlagen für diese Fähigkeiten stecken in jeder Person, unabhängig des Geschlechts. Doch aufgrund von binären, patriarchalen Rollenvorstellungen werden junge Menschen unterschiedlich sozialisiert und dementsprechend die Fähigkeiten, um Emotionale Arbeit zu leisten, vor allem bei weiblich sozialisierten Personen aktiv gefördert und gefordert. Weiblich sozialisierte Kinder sollen schon früh mit Puppen spielen und sich um diese „kümmern“, während männlich sozialisierte Kinder eher die Rolle des Abenteurers einnehmen und für ihren eigenen Erfolg kämpfen.
Mit dem Erlernen von Sorgearbeit folgt auch das Verpflichtungsgefühl zu eben dieser, denn durch das Nicht-Erlernen von notwendigen Fähigkeiten für Emotionale Arbeit entsteht eine Leerstelle, die weiblich sozialisierte Personen versuchen zu füllen. [… Beispiel] „Wenn du eine Person liebst, dann kümmerst du dich doch gerne, das ist doch keine Arbeit!“. Wir möchten nicht verneinen, dass (emotionale) Fürsorge eine erfüllende Tätigkeit sein kann. Jedoch ist Tatsache, dass sie auch sehr anstrengend und fordernd sein kann und die Ausführung von Sorgearbeit Kapazitäten erfordert. Diese Kapazitäten sind nicht immer und in jeder Situation vorhanden. Das Vorurteil, dass der Lebenssinn einer gebärfähigen Person die Familie ist und die damit verbundene Sorgearbeit um Mann und Kinder Erfüllung bringt, diente lange als Rechtfertigung, um Reproduktionsarbeit und darin enthaltene Emotionale Arbeit auf weiblich sozialisierte Personen abzuschieben. Eine perfide Taktik, denn dies macht Emotionale Arbeit nicht nur unsichtbar, sondern lässt weiblich sozialisierte Personen zusätzlich schuldig fühlen, wenn sie eigene Kapazitäten achten und Grenzen setzen.
Zusatz Quelle
Emotional labour is a heavier burden for some of us | Leah Cowan | TEDxRoyalCentralSchool – YouTube