Inhaltswarnung: Sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung, Sex
Hast du schon mal mit jemandem geschlafen, jemanden geküsst oder angefasst? Wenn ja, denke jetzt doch mal an das letzte Mal, als du Sex hattest, mit einer Person körperlich intim warst, als du geküsst hast. Falls nein und du es mal ausprobieren willst, denke daran, wie es sein könnte/sollte.
Welche Person kommt dir in den Sinn? Was habt ihr gemacht? Hattest du selbst Lust darauf? Hatte die andere Person Lust? Wurdest du gefragt, was du machen willst? Wärst du gerne gefragt worden/ Wärst du gerne nicht gefragt worden? Habt ihr im Vorhinein darüber gesprochen, was ihr machen wollt? Hast du gefragt, bevor du etwas mit der anderen Person gemacht hast? Warum/warum nicht?
Wir wollen uns in diesem Türchen mit Konsens oder Zustimmungsprinzip beschäftigen. Dabei geht es um das freiwillige Einverständnis zweier (oder mehrerer) Personen, etwas sexuelles miteinander zu tun. Konsens ist die Grundlage von sexuellen Handlungen, weil einseitige Zustimmung sexuelle Gewalt bzw. Vergewaltigung bedeuten.
Deswegen ist wichtig: Konsens kann nie als gegeben hingenommen werden, egal ob mit fremden oder festen Partner*innen.
Konsens ist in der Praxis oft nicht leicht, weil bereits unsere Definitionen von einer sexuellen Handlung sehr individuell sind. Kuscheln, küssen, fummeln, sind das für dich sexuelle Handlungen?
Um Konsens zu lernen ist es wichtig, über die eigenen Wünsche, Vorlieben und Bedürfnisse nachzudenken. Ein Teil des Prozesses ist es aber auch, dir Gedanken darüber zu machen, wie du deine Wünsche, Bedürfnisse und Grenzen kommunizieren willst. Vielleicht magst du es, immer wieder gefragt zu werden, wenn es intensiver wird, vielleicht findest du es unsexy, vielleicht total heiß. Konsens wird in erster Linie verbal ausgemacht, kann nach Absprache aber auch nonverbal gegeben werden. Es ist wichtig, nicht nur “im Bett” über Bedürfnisse zu sprechen, denn wenn man “gerade dabei” ist, geht alles oft sehr schnell und es fällt vielen Menschen schwer, dann ihre Wünsche und Gefühle zu kommunizieren. Die einzige Möglichkeit, um dafür zu sorgen, dass sich alle Beteiligten wohl fühlen, ist Reden. Und das lieber zu viel als zu wenig.
Hier ein paar Vorschläge, wie man Konsens kommunizieren kann, wenn ihr schon dabei seid:
- Darf ich … anfassen/küssen?
- Ich würde dich gerne küssen. Willst du auch?
- Darf ich mein/e/n … auf dein/e/n … tun?
- Gefällt dir das?
- Ist alles okay? Wie fühlst du dich?
- Was würde dir gerade gefallen?
- Ich finde es heiß, wenn du … .
- Was magst du (machen)?
- Würdest du es mögen, wenn ich … ?
- Willst du, dass wir weiter machen?
- Worauf soll ich achten, wenn wir … machen?
Und dabei gilt ganz klar: Nein heißt nein. Und auch “ich weiß nicht”, “vielleicht später”, “warte” oder schweigen heißt nein. Nur eine eindeutige, freiwillige Zustimmung ohne Zwang heißt Ja. Zwang meint dabei nicht nur physische Gewalt. Auch durch Machtgefälle, wie ein Arbeitsverhältnis, eine Beziehung oder finanzielle Abhängigkeit, die durch Ablehnung gefährdet werden, kann Zwang ausgeübt werden. Über solche Machtgefälle solltest du dir vorher immer Gedanken machen. Auch Kompromisse haben im Konsensprinzip keinen Platz.
Es geht beim Konsens allerdings nicht nur darum Einverständnis zu erfragen, sondern auch darum, es zu geben und eigene Grenzen zu kommunizieren. Und das ist nicht immer leicht. Vor allem weiblich gelesenen Personen wird beigebracht, dass sie ihre Grenzen und Bedürfnisse denen von cis Männern unterordnen. Und außerdem kann es besonders für Menschen, die sexualisierte Gewalt und Grenzüberschreitung erfahren haben, sehr schwierig sein, eigene Bedürfnisse zu formulieren und diese auch zu kommunizieren.
Vor allem als Person, die selbst keine Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht hat, muss dir bewusst sein, dass sehr viele FLINTA* sexualisierte Gewalt erlebt haben. Natürlich kann es hilfreich sein, über solche Erfahrungen zu reden, bevor man miteinander schläft, erwarte das aber nicht von deiner Sexparter*in. Jeder Mensch hat individuelle Strategien mit erlebten Traumata umzugehen.
Auch wenn die Person dir nichts von ihren Gewalterfahrungen erzählt hat, sollte dir bewusst sein, dass Trigger ausgelöst werden können. Es kann sein, dass die Person in einem solchen Moment die Realität verlässt, dissoziiert. Sie ist dann mit dem Kopf woanders, wird plötzlich still. Es kann sein dass die Person plötzlich wie versteinert ist. Was Personen im Einzelnen triggert, ist sehr unterschiedlich. Es kann deswegen hilfreich sein, vorher darüber zu sprechen. Natürlich nur, wenn die betroffene Person das von sich aus entscheidet.
❓ Reflexionsfragen:
- Wie definierst du Konsens?
- Hast du einen mit deine:r Partner:in oder Menschen mit denen du etwas hättest über Konsens geredet?
- Hast du von den Vorschlägen, wie Konsens kommuniziert werden kann, schon mal etwas benutzt? Wurdest du so etwas schon mal gefragt?
- Denkst du es ist möglich, dass Schweigen als Konsens missverstanden werden kann? Ist dir sowas schonmal passiert? In welcher Position warst du?
- Hast du schonmal eine Person gefragt, auf was du achten solltest, wenn es ihr schwer fällt, anzusprechen, dass sich etwas nicht gut anfühlt?
- In welchen Situationen und mit welchen Menschen redest du über Konsens? Ist das unterschiedlich bei festen Beziehungen und lockeren Bekanntschaften?
- Findest du, dass über Zustimmung reden die Stimmung verderben kann? Findest du Konsens ist sexy? Wieso/Wieso nicht?
- Denkst du daran, dass Menschen mit denen du etwas machst eine Vorgeschichte mit Übergriffen haben (könnte)?
- Wenn eine Person einer Sache zustimmt, gehst du dann davon aus, dass alles andere auch okay ist, oder fragst du nach, bevor die die Person auf eine andere Art anfässt oder weitergehst?
- Strebst du Freund:innenschaften mit Menschen an, auf die du stehst und lässt die Freund:innschaft dann sein, wenn sie sexuell an dir nicht interessiert sind?
- Hast du schonmal versucht eine Person zu einer Sache zu überreden, bei der sie zögerte?
- Hast du jemals versucht Situationen so herbeizuführen, dass du einen Vorwand dafür bekommst, Menschen anzufassen? Insbesondere von Menschen bei denen du denkst, dass sie “nein” sagen würden, wenn du sie fragst? z.B.Tanzen, euch betrinken, neben ihnen einschlafen etc.
- Glaubst du, du gibst Menschen manchmal das Gefühl, sie seien “prüde”, “unemanzipiert” oder eine “Spaßbremse”, wenn sie bestimmte sexuelle Dinge nicht ausprobieren wollen?
- In wie fern verhältst du dich anders, wenn du Alkohol getrunken hast? Versuchst du auf die gleiche Art Konsens zu finden, wie nüchtern?
- Wie reagierst du, wenn eine Person sich unwohl fühlt mit dem, was du tust, oder etwas nicht tun möchte? Gehst du in die Defensive? Fühlst du dich schuldig?
- Sprichst du auch über Sex und Konsens, wenn du nicht “im Bett” bist?
- Fühlst du dich manchmal verpflichtet, Sex zu haben?
- Fühlst du dich manchmal verpflichtet, Sex zu initiieren?
- Redest du über Safer Sex und Verhütung? Wer initiiert diese Gespräche?
ℹ️ Weitere Quellen: