Wir haben im letzten Text über die Anfänge der staatlichen Kontrolle über die Reproduktion und die Körper der Frauen geschrieben. Doch wir können über diese Ereignisse nicht schreiben, ohne auch die Hexenverfolgung zu thematisieren. Bei unserer Recherche und beim Schreiben des Textes haben wir allerdings gemerkt, dass die komplexen gesellschaftlichen Vorgänge dieser Zeit, sowie deren Verbindung zu Misogynie – wie so oft – viel zu komplex für eine Telegram-Nachricht sind. Da wir nach wie vor den Anspruch haben, unsere Texte möglichst zugänglich und nicht allzu lang zu gestalten (auch wenn wir vermehrt die Rückmeldung nach dem Wunsch nach komplexeren und theoretischen Texten bekommen haben), haben wir uns entschieden, in der folgenden Nachricht lediglich einen kurzen Abriss über die Ereignisse der Zeit und die Zusammenhänge zur Misogynie zu geben. Eine ausführlichere Version mit mehr Bezügen zur Gegenwart veröffentlichen wir auf unserer Website unter folgendem Link. Auch wenn der Text etwas länger und komplexer ist, lohnt es sich sehr, mal reinzuschauen:
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Kurzfassung:
Während der Hexenverfolgung, die in Europa zwischen 1450 und 1750 stattfand, wurden vermeintliche Hexen – zumeist Frauen – festgenommen, gefoltert, hingerichtet und lebendig verbrannt. Sie spielte sich zur gleichen Zeit und am gleichen Ort wie die Ereignisse der Entwicklung der staatlichen Kontrolle über die Reproduktion ab (siehe letzter Text). Für Silvia Federici ist dies keineswegs Zufall: Sie stellt fest, dass die Entmachtung der Frauen und der Entzug ihrer Kontrolle über die Reproduktion nur möglich waren, weil zeitgleich eine brutale, misogyne staatliche Terrorkampagne gegen Frauen – die Hexenverbrennung – gefahren wurde. Diese Kampagne hat den Hass auf Frauen auf die Spitze getrieben und zur Ermordung zehntausender (manchen Schätzungen zufolge auch hunderttausender) Frauen und Queers geführt. Trotzdem sprechen wir heute selten darüber. Und wenn wir es tun, dann meistens nicht im Zusammenhang mit Misogynie, sondern eher in einer märchenhaften, fernen Erzählung. Und noch viel weniger als etwas, das tiefe Spuren in der Gesellschaft und in Generationen von Frauen hinterlassen hat.
Es ist schwer festzumachen, zu welchem Zeitpunkt das Bild der bösen Hexe, die verfolgt werden muss, entstand. Es lässt sich jedoch zurückverfolgen, dass ein Aberglaube an böse, das Wetter manipulierende Hexen entstand, als es im 14ten Jahrhundert in Europa aufgrund der kleinen Eiszeit vermehrt zu Ernteausfällen und Krankheiten kam. Und während zuvor im Mittelalter die Schuld für Krankheiten, verschwundene Kinder und generelles Elend durch den weit verbreiteten Antijudaismus¹ auf Jüd*innen geschoben wurde, wurde ihnen die Wettermanipulation nicht zugetraut. Einige antijudaistische Stereotype wurden direkt übertragen, und so entstand die krummnasige, spitzhütige, kahlköpfige, Kinder essende, Brunnen vergiftende Hexe.
Reiner Aberglaube allein führt allerdings nicht zur Ermordung zehn(hundert)tausender Frauen. Vielmehr erfordert es einen politischen Willen und eine Menge Frauenhass, der sich zu dieser Zeit rasant verbreitete – aber auch seit jeher europäische Gesellschaften geprägt hat. Ein Zeugnis des Frauenhasses dieser Zeit ist der sogenannte Hexenhammer. In dem Buch wird unter anderem dargelegt, dass es Hexen gäbe, dass dies zu leugnen selbst eine Sünde sei, wie diese Hexen zu ihrer Macht kommen, wie sie zu identifizieren seien und wie ein Prozess gegen sie zu führen sei. Das Buch liest sich wie ein einziger Erguss von Frauenhass unter dem Deckmantel von Theologie und Wissenschaft. Es zeigt sehr deutlich, wie ein Bild von Frauen geschaffen werden musste, welches sie für so böse erklärt, dass es die massenhafte, grausame Folterung und Ermordung rechtfertigte.
Der Hexenhammer stellt dar, dass Frauen körperlich und geistig schwach, naiv und nicht willensstark seien. Gleichzeitig unterstellt er den Frauen, sie seien gierig, sodass sie wegen ihrer vermeintlichen Schwäche zu hinterlistigen Mitteln greifen: der Hexerei. Daneben würden sie Männer für ihre Zwecke manipulieren und verführen.
Weiterhin beschreiben die Autoren die weibliche Wut als Naturgewalt und warnen vor der Gefahr, dass sich Frauen untereinander austauschen und sich zusammentun – vermutlich, weil sie diese Wut und den Zusammenschluss selbst fürchteten. Denn diese bedeuteten oftmals, dass sich die Frauen gegen das Unrecht, das ihnen widerfuhr, wehrten.
Die Hexenverbrennungen und die massenhaften Ermordungen, sowie der allgemeine Frauenhass führten also logischerweise zur Entmachtung der Frauen. Wenn wir uns das Ausmaß und die Heftigkeit dieser Ereignisse von damals vor Augen führen, verwundert es auch nicht, dass vieles, wenn auch nicht alles, von dem damals gezeichneten Bild der Frau erschreckend aktuell bleibt. Und es erklärt, warum die Wiederaneignung des Bildes der Hexe Bestandteil vieler feministischer Bewegungen ist. We are the granddaughters of the witches you were never able to burn!
ℹ️Begriffserklärung:
¹Antijudaismus des Mittelalters in Europa bezeichnet Judenhass und Judenfeindschaft mit christlich-religiöser Begründung. Er gilt als Grundlage für den Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen ethnisch-kulturell begründeten neuzeitlichen Antisemitismus und zieht sich bis heute durch antisemitische Erzählungen.
Vollversion:
Als Zweites wollen wir eine Geschichte über die Hexenverfolgung erzählen: Ein Phänomen, das nicht nur zur Ermordung von zehntausenden (manchen Schätzungen zufolge hunderttausenden) Frauen und Queers innerhalb weniger Jahrzehnte führte, sondern auch wesentlich das moderne Frauenbild Europas geprägt hat. Wichtig für unsere Geschichte sind die sogenannten Einhegungen im Europa des 15. bis 17. Jahrhunderts, also das Umranden von Landstücken mit Hecken. So wurde aus vorher gemeinschaftlich genutzten Landstreifen¹ privater Besitz gemacht.
Diese Entwicklung vertrieb viele Besitzlose und führte zu einem starken, neuen Vagabundentum: Menschen verloren ihren Wohnsitz und begannen umherzuziehen. Von Gerichten wurden sie als „Landstreicher“ bezeichnet, was beinahe überall ein Verbrechen darstellte. Besonders betroffen waren davon unverheiratete Frauen. Denn wenn sie das Land verlassen mussten, auf dem sie lebten und von dem sie sich zuvor ernähren konnten², fanden sie in der Regel keine bezahlte Arbeit.
Im 14. Jahrhundert setzte in Europa außerdem die sogenannte kleine Eiszeit ein, die vor allem rund um die Alpen zu Ernteausfällen und Krankheiten führte. Gleichzeitig entstand in denselben Gegenden ein Aberglaube an böse Hexen, die das Wetter manipulierten. Dieser ging Hand in Hand mit dem Hass auf Frauen und deren Abwertung, über den wir bereits in der letzten Geschichte berichtet haben. Und während zuvor im Mittelalter die Schuld für Krankheiten, verschwundene Kinder und generelles Elend durch den weit verbreiteten Antijudaismus³ auf Jüd*innen geschoben wurde, wurde ihnen die Wettermanipulation nicht zugetraut. Also wurden im Sinne der erstarkenden Frauenfeindschaft die fremden, häufig aufgrund von Vertreibungen und Einhegungen vagabundierenden, oft unverheirateten und dadurch bereits unkonventionell lebenden Frauen eine neue Zielscheibe des Hasses. Einige antijudaistische Stereotype und Erzählung aus dem Mittelalter wurden direkt übertragen und so entstand die krummnasige, spitzhütige, kahlköpfige, Kinder essende, Brunnen vergiftende⁴ Hexe, die mit übernatürlichen Kräften Krankheiten verteile und das Wetter manipuliere und mit dem Teufel verschworen sei, um das Christentum zu zerstören⁵. Federici betont jedoch, dass reiner Aberglaube nicht die Ursache für die Hexenverfolgungen war, sondern die politische Erschaffung einer Fantasie der „gefährlichen Frau“.
Entgegen populären Erzählungen waren die Kirche und die kirchliche Inquisition⁶ nicht zentral für die Hexenprozesse. Der 1487 von den Geistlichen Jakob Sprenger und Heinrich Kramer verfasste „Hexenhammer“ allerdings schon. Dieses lange, im Original lateinische Werk ist ein einziger Erguss von Frauenhass und Gewaltbeschreibung im Mantel von Theologie und Wissenschaft. Unter anderem erklärten die beiden hier, dass es Hexen gebe, dass dies zu leugnen selbst eine Sünde sei, wie diese Hexen zu ihrer Macht kommen, wie sie zu identifizieren seien und wie ein Prozess gegen eine Hexe zu führen sei.
Vor allem wurde der Text juristisch genutzt, um Prozesse gegen Hexen anzuleiten, die in der Regel von weltlichen⁷, lokalen Autoritäten geführt wurden. Unter seiner Anleitung wurden so innerhalb weniger Jahrzehnte im Mitteleuropa des 16. und 17. Jahrhunderts viele Zigtausende Frauen in einer staatlich-kirchlichen Terrorkampagne grausam ermordet und viele mehr eingesperrt und gefoltert.
Wir müssen uns klarmachen, wie die Ideen darüber, was Frauen sind, die in diesem Buch mit dem Ziel geschrieben wurden, weibliche Macht zu brechen und Femizide zu organisieren, bis heute unsere Vorstellungen von Geschlecht und Weiblichkeit prägen. Und, dass die Gewalt, die davon ausgeht, bis heute nicht geendet hat. Es ist hier wichtig zu bemerken, dass die Misogynie des Hexenhammers nicht im luftleeren Raum entstand, sondern unter anderem auf Misogynie aufbaute, die sich bereits in der Bibel oder beim altgriechischen Philosophen Aristoteles findet. Beide werden ausführlich zitiert.
Der Hexenhammer behauptet zuallererst, Frauen seien geistig und körperlich schwach. Daraus leitet sich dann eine Reihe von Erzählungen über die Natur von Frauen ab, sowie dass sie schutzbedürftig seien, dass ihre Gedanken und Gefühle leicht beeinflusst würden, dass sie darum naiv und nicht willensstark seien und dass sie unausgeglichen, „emotional“, oder „hysterisch“ seien.
Zugleich behaupten Sprenger und Kramer, dass es in der Natur von Frauen liege, gierig zu sein. Aus diesen beiden Erzählungen über die weibliche Natur entspringt dann ein Konflikt: Frauen wollen angeblich Einfluss und Reichtum, seien aber zu schwach und dumm, diese zu erreichen. In der Logik des Hexenhammers ist die Konsequenz, dass Frauen zu hinterlistigen Mitteln greifen, um ihre Habgier zu befriedigen. Eines der ersten genannten Mittel ist die Magie – dass sie also einen Bund mit dem Teufel eingehen. Die Frau würde demnach böse, weil sie im Widerspruch zwischen ihrer Gier und ihrer Unfähigkeit stünde. Eine andere Form der List, die der Hexenhammer explizit nennt, ist die Manipulation von Männern: Weil sie davon abhängig seien, durch andere zu Einfluss und Wohlstand zu kommen, hätten sie es perfektioniert, Männer zu manipulieren. Es läge also in ihrer Natur zu lügen, zu verführen und Männer auszunutzen.
Wo wir diese Erzählung täglich in Aktion erleben können, ist in der Unterstellung, Frauen würden sich beruflich oder sozial „hochschlafen“, was immer ausgeht von der vermeintlichen Gewissheit, Frauen könnten Positionen nicht aus ihren eigenen Fähigkeiten erreichen und gleichzeitig die realen patriarchalen Hürden verleugnet, die ihnen im Weg stehen. Wir können diese Ideen auch überall dort beobachten, wo Männer ihre Partnerinnen mit einer anderen Frau betrügen, denen dann das Verführen der Männer vorgeworfen wird. Der Betrug der Männer rückt dabei in den Hintergrund, sie hätten ja nichts tun können, da sie verführt wurden. Dies ist bereits sehr nah an der allgegenwärtigen Täter-Opfer-Umkehr⁸, die erzählt, dass Vergewaltiger „Opfer ihrer Triebe“ seien und sich Opfer zu verführerisch benommen oder gekleidet hätten.
Der Hexenhammer betont, dass besonders wenn Frauen Schmerzen oder Trauer zeigen, diese in der Regel unehrlich und manipulativ seien. Dass Schmerzen von feminisierten Personen⁹ bis heute nicht ernst genommen werden, erzählen nicht nur die vielen Millionen Menschen mit Endometriose¹⁰ und Betroffene von Gewalt in der Geburtshilfe. Der Vorwurf, Schmerzen oder Emotionen, die Frauen zeigen, seien strategisch und nicht ernst zu nehmen, findet sich z.B. in der häufigen, Täter-schützenden Anschuldigung, FLINTA*¹¹ erfänden Vergewaltigungen oder Übergriffe, um sich Vorteile zu verschaffen.
Die letzten Bausteine des Frauenbildes im Hexenhammer sind aber die perfidesten: Hier wird nämlich jede Form von weiblicher Macht oder Selbstermächtigung als Gefahr erzählt: Sprenger und Kramer schreiben eine Menge zu weiblicher Wut. Sie sei eine zerstörerische, gefährliche Naturgewalt. Dass eine wütende Frau eine gefährliche Frau ist, stimmt. Denn sie wird gegen die Gewalt und Unterdrückung vorgehen, die sie wütend machen. Dass weibliche Sozialisierung bis heute für viele bedeutet, Wut nicht zu spüren, nicht zu zeigen, oder auf sich selbst zu richten, macht deutlich, wie tief diese Zementierung von Unterdrückung und Gewalt in uns verwurzelt ist und uns hemmt, widerständig zu sein.
Und schließlich wird eine weitere vermeintliche Gefahr erzählt: Die Gefahr, dass sich Frauen untereinander austauschen. Der Hexenhammer begründet diese Gefahr vor allem damit, dass sie sich die Geheimnisse des Teufels weitererzählen würden, weil sie nichts für sich behalten könnten. Es braucht aber nicht viel Vorstellungskraft, um zu sehen, welche Konsequenzen die Idee hat, Frauen unter sich würden sich über alles austauschen, wenn man sie alleine ließe und das sei gefährlich: Frauen müssen überwacht werden. Es muss verhindert werden, dass sie sich austauschen und organisieren. Ein moralisches Werkzeug, das diese Kontrolle bis heute fortsetzt, ist der Vorwurf von Tratsch, Gossip oder Lästern. Diese beinahe ausschließlich weiblich gegenderten abwertenden oder verurteilenden Benennungen von Gesprächen bekämpfen effektiv den Austausch über die gemeinsamen Erfahrungen von Gewalt und Ungerechtigkeit. Besonders “Lästern”, also explizit schlechtes Reden über andere, wird bei Frauen als bösartige, emotional geladene Praxis geframet und bei Männern eher als gerechtfertigte, rationale Kritik. Es kann allerdings die Basis darstellen, sich über Arschlöcher, wie den eigenen Ehemann, den Chef oder über Täter im sozialen Umfeld auszutauschen. Das Ziel, diesen Austausch durch die Überwachung durch Männer und die starke Verurteilung von Lästerei zu unterbinden, wird seit 550 Jahren sehr erfolgreich umgesetzt. So sehr, dass das Bewusstsein von Frauen und Queers über die gemeinsame Zugehörigkeit zu einer geschlechtlichen Klasse und die geteilte Erfahrung von Gewalt und Ungerechtigkeit durch cis Männer viel zu wenig präsent ist. Somit bilden kollektive, widerständige Praxen die Ausnahme.
Es ist beeindruckend zu lesen, wie viel Angst Jakob Sprenger und Heinrich Kramer vor Frauen hatten. Ganz offensichtlich waren Frauen für die Kirche, aber auch für einzelne Männer in Machtpositionen eine wirkliche Bedrohung. Sie waren wütend, sie haben sich miteinander verschworen, sie waren strategisch und widerständig. Auch wenn historisch die Macht der Kirche und des Adels nur an wenigen Orten und meist nur für kurze Zeit ins Wanken geriet, war ihnen doch eine reale Angst um Wohlstand und Einfluss in alle Poren gesickert – es war die Angst vor Frauen.
Bald war die Hexenverfolgung und Entmachtung der Frauen in Europa so weit fortgeschritten, dass die Kontrolle über die Reproduktion und die neue wirtschaftliche Ordnung stabilisiert waren. Die zuvor noch legitimierte Praxis der Hexenverbrennung wurde dann zu einer Erzählung über einen Aberglauben aus dem dunklen Mittelalter gemacht, den die Neuzeit überkommen habe. Tatsächlich war es aber genau diese Neuzeit und ihre wirtschaftliche und theologische Neuordnung, die die Verfolgung und Ermordung von Zigtausenden Frauen erst eingefordert und dann legitimiert hatte.
Das Phänomen der Hexenverfolgung breitete sich aber genauso wie die zugrundeliegenden Ideen von Weiblichkeit nicht nur in Europa aus. In der Kolonialzeit wurden Religionen und medizinische Praktiken verschleppter und versklavter afrikanischer sowie indigener Frauen in den Amerikas unter den Generalverdacht der Hexerei gestellt und führten zur Verfolgung von einflussreichen Frauen. Besonders auch gegen Widerstände von Sklav*innen auf den Plantagen wurden dieselben Techniken angewendet, die die Inquisition in Europa im Kampf gegen die Macht der Frauen perfektioniert hatte.
Der Blick auf die europäische Geschichte der Hexenverfolgung zeigt uns also, dass vieles, wenn auch nicht alles, von dem damals gezeichneten Bild der Frau erschreckend aktuell bleibt. Und es erklärt, warum die Wiederaneignung des Bildes der Hexe Bestandteil vieler feministischer Bewegungen ist. We are the granddaughters of the witches you were never able to burn!
ℹ️Begriffserklärungen und Fußnoten:
¹Gemeinschaftlich genutzte Flächen, die Allmenden, und andere gemeinschaftliche Güter, allgemein als Commons zusammengefasst, bildeten eine Grundlage vorkapitalistischen Wirtschaftens und Überlebens.
²In diesem Arbeitssystem des europäischen Mittelalters, der sogenannten Lehnsarbeit, wurden die Arbeitenden als Teil des Land-Besitzes verstanden. Sie mussten sich durch die Bewirtschaftung des Lands selbst am Leben erhalten, während sie gleichzeitig den Landbesitzern Abgaben zu zahlen hatten.
³Antijudaismus des Mittelalters in Europa bezeichnet Judenhass und Judenfeindschaft mit christlich-religiöser Begründung. Er gilt als Grundlage für den Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen ethnisch-kulturell begründeten neuzeitlichen Antisemitismus und zieht sich bis heute durch antisemitische Erzählungen.
⁴Eine krumme Nase und ein kahler Kopf waren Hauptmerkmale antijudaistischer Bilder. Der spitze Hut mit breiter Krempe („Judenhut“) entstammt einer freiwillig getragene Tracht und wurde dann zur antisemitischen Markierung, während das Brunnen vergiften und das Klauen von Kindern um sie zu essen bis heute Hauptinhalte antisemitischer Hetze und Verschwörungsmythen sind. Vergleicht man das mit der grimmschen Hexe aus Hänsel und Gretel oder den Hexen in „Witches“ (1990), zu Deutsch „Hexen hexen“, dem Film von Nicolas Roeg auf Basis des Kinderbuchs „Witches“ von Roald Dahl, wird klar, dass bis heute viele Hexen-Erzählungen aus antisemitischer Hetze kommen.
⁵Auch dieses zugrundeliegende Motiv der Verschwörung gegen die Welt entspricht den antijudaistischen und antisemitischen Verschwörungserzählungen, die überall zu finden sind.
⁶Die kirchlichen Inquisitionen waren der Verfolgungsapparat der katholischen Kirche, um Ungläubige aufzuspüren, zum „richtigen“ Glauben zu bekehren und zu bestrafen. Besonders richtete sich die Inquisition gegen Armen-Sekten und ihre Mitglieder (sogenannte Häretiker), die häufig in Unmut über die eigene wirtschaftliche Lage ihre eigenen Glaubenslehren gegen die römische Kirche entwarfen.
⁷weltlich – In der mittelalterlichen Ständegesellschaft konkurrierte und kollaborierte die Kirche (also der Papst, Bischöfe und andere Angehörige des sogenannten Klerus) mit der „weltlichen“ Macht des Adels, angeführt vom Kaiser, Königen und Fürsten.
⁸Als Täter-Opfer-Umkehr sind solche Handlungen und Erzählungen zu benennen, die bei Gewalttaten, die Rollen von Täter und Opfer umkehren. Dem Opfer wird Verantwortung oder Schuld zugesprochen, während der Täter passiv dargestellt wird und Mitleid darüber erfährt, „was ihm passiert“. Diese extrem gewaltvolle Strategie ist besonders häufig nach Vergewaltigungen zu beobachten und schützt in der Regel den Täter vor Konsequenzen, während Betroffene zusätzliche Gewalt erfahren.
⁹Feminisierte Personen meint all diejenigen, die von staatlichen Institutionen, dem Gesundheitssystem oder in alltäglichen Situationen als Frauen gegendert und dementsprechend behandelt werden. Das betrifft besonders cis und trans Frauen, einige trans Männer und viele nicht binäre Menschen, die dadurch Misogynie erleben.
¹⁰Endometriose ist eine komplexe, bislang zu wenig erforschte Erkrankung, bei der sich Gebärmuttergewebe außerhalb der Gebärmutter bildet, was zu extremen Menstruationsschmerzen, Schmerzen beim Sex und anderen körperlichen und psychischen Beschwerden führen kann. Viele Betroffene warten mehr als zehn Jahre auf eine Diagnose, weil ihre Symptome als „normal“ abgetan werden und viele Ärzt*innen nicht geschult sind. Endometriose betrifft etwa 10-15 % aller Menschen mit Gebärmutter.
¹¹FLINTA* – Frauen, Lesben, Inter Menschen, Nicht-binäre Menschen, Trans Menschen und Agender Menschen. Der * Stern weist auf die Konstruiertheit der Kategorien hin und zeigt auf, dass es ein Begriff ist, der in Arbeit und unvollständig ist. Es ist ein Sammelbegriff für Menschen, die vom Patriarchat unterdrückt werden und/oder patriarchale Gewalt erleben.