Geschichte der Misogynie III: Hausarbeit und die Isolation der Frau

Wie schon die letzten zwei Wochen haben wir auch diese Woche nochmal einen letzten Geschichtstext. Keine Sorge – wir verstehen uns nach wie vor nicht als Geschichts-Kanal (auch wenn das natürlich auch spannend wäre!) und werden in den kommenden Wochen auch wieder alltagsnähere, persönlichere und weniger geschichtliche Texte veröffentlichen. Die letzte Geschichte, die wir noch erzählen wollen, finden wir aber dennoch wichtig, um zentrale Aspekte des heutigen Bildes der Frau und der Abwertung von Weiblichkeit zu erläutern.


Gleichzeitig mit den beiden vorherigen Geschichten spielt sich mit dem aufkeimenden Kapitalismus noch eine weitere richtungsweisende Veränderung des Geschlechterverhältnisses ab. Die Entwicklung des Kapitalismus bedeutete eine Entwicklung weg von einer Wirtschaft, die auf Eigenbedarf ausgerichtet ist, wie sie noch zuvor im Mittelalter vorherrschte. Zuvor gab es keine klare Trennung zwischen ‘produktiver’, beispielsweise Güter oder Lebensmittel herstellender und ‘reproduktiver’ Arbeit, die z.B. das Führen eines Haushalts, das Gebären, das Erziehen von Kindern, Kochen, Putzen und Waschen beinhaltet.
Diese beiden Formen der Arbeit wurden voneinander getrennt, erstere zur öffentlichen Sphäre und zweitere zur privaten gemacht. Zeitgleich wurden Frauen¹ auf die Durchführung genau dieser Reproduktionsarbeiten festgelegt. Durch eine Mystifizierung dieser Arbeit als ‘Frauenarbeit’ wurde sie in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung unsichtbar gemacht und nicht mehr als Arbeit benannt, sondern als natürliche Lebensaufgabe von Frauen aufgefasst. Die Reproduktionsarbeiten der Frauen wurden zunehmend als Naturressource verstanden, die frei zur Verfügung stehen. Frauen waren dafür da, die Arbeitskraft des Mannes zu reproduzieren. Zwar gab es auch im Mittelalter bereits vergeschlechtlichte Arbeitsteilung, jedoch hatten die Frauen damals noch Zugang zu gemeinschaftlich genutzten Landflächen. Mit der Trennung von der entlohnten Arbeit wurden Frauen hingegen oftmals vollkommen abhängig von ihren Ehemännern. Die Familie bekam in dieser Zeit außerdem eine neue Bedeutung als Ort der Reproduktion, der sich der Öffentlichkeit entzog. Das Dasein als Frau wurde zum Dasein als Ehefrau und Mutter.
In der Realität reichte der Lohn der Männer jedoch häufig nicht aus, sodass Frauen trotzdem gezwungen waren, zusätzlich zur Reproduktionsarbeit auch für Lohn zu arbeiten. Dabei wurden sie von vielen Berufen ausgeschlossen und in den Berufen, die sie ausführen durften, sehr viel schlechter bezahlt als Männer. Auch die entlohnte Arbeit der Frauen wurde außerdem nicht als produktiv angesehen, sondern als Haushaltspflege abgewertet. Dadurch wurde eine neue gesellschaftliche Klasse geschaffen: die der Arbeiterinnen. Ebenso wie die Arbeiter waren sie eigentumslos, hatten allerdings keinen oder sehr viel schlechteren Zugang zu Lohn, weshalb sie in auswegloser Armut und wirtschaftlicher Abhängigkeit lebten.
Laut Federici waren diese Abwertung von Frauenarbeit und das Verdrängen in die private Sphäre nur möglich, weil die Hexenverfolgung und die dabei gezeichneten Bilder der Frau als Feindbilder die vollkommene Abwertung und den Kampf gegen Frauen legitimierten.

Als die Macht der Frauen gebrochen war und die Hexenverfolgung gegen Ende des 17. Jhd. abnahm, als ihre Arbeit nicht mehr Arbeit genannt wurde und der Staat die Kontrolle über ihre Körper hatte, beobachtet Federici, wie sich die Antwort auf die Frage, was eine Frau ist, wandelte: Statt böse, geistig minderwertig, habgierig und hinterhältig wurde nun das Bild der idealen Gattin und Frau zentral, die passiv, sparsam, fügsam, wortkarg und stets beschäftigt war, außerdem keusch, asexuell, fügsamer und moralischer als ihr Mann.

Die Trennung von entlohnter Produktion und nicht entlohnter Reproduktion verschärfte sich in der zweiten Welle der europäischen Industrialisierung weiter. Ende des 19. Jahrhundert vollzog sich ein Wandel von der sogenannten Leichtindustrie, also Textil- und Lebensmittelproduktion, zur Schwerindustrie, wie Stahl und Maschinenbau. Frauen, die vor allem in der Leichtindustrie in den Spinnereien und Webereien arbeiteten, verloren infolgedessen ihre verbleibenden bezahlten Arbeitsplätze, während die Männer in den Stahlwerken über ihre körperlichen Grenzen hinweg ausgebeutet wurden.
In dieser Zeit wurde endgültig die ideale Vollzeit-Hausfrau geschaffen: liebevoll, ihrem Mann fügsam ergeben, vollkommen erfüllt durch die Sorge um ihn und ‘seine’ Kinder und stets damit beschäftigt, Sauberkeit und leckeres Essen herzustellen. Sie kümmerte sich um ihren erschöpften Mann und stellte damit seine Arbeitskraft sicher.

Diese Geschlechterordnung, in der Männern besser bezahlt werden und weiblich sozialisierte Personen², sowie Menschen, an die Weiblichkeits-Anforderungen gestellt werden, den überwiegenden Teil der meist unentlohnten Sorgearbeit übernehmen, haben sich bis heute gehalten – mitsamt ihrer Rechtfertigung über die ‘weibliche Natur’. Wenn in heterosexuellen Partnerschaften dann ein Mann das Geld verdient, bedeutet das eine starke finanzielle Abhängigkeit der Partnerin, was nicht selten dazu führt, dass Betroffene nicht aus häuslicher Gewalt entkommen oder bei Trennung Altersarmut erleben. Institutionen, wie das Ehegattensplitting³ verfestigen und verhärten diese Abhängigkeitsverhältnisse auf rechtlicher und staatlicher Ebene. Eine neue Zuspitzung dieser Ideen bei Jugendlichen gibt es seit letztem  Jahr: der “Hausfrauen-Trend” (im Englischen “trad wives”, kurz für “traditionelle Ehefrauen”) auf Tik-Tok, bei dem Mädchen und junge Frauen zelebrieren und glorifizieren, dass ihr Leben mit Kochen, Putzen und dem sich-schön-machen für ihren Partner ausgefüllt sei.

Gegen diese strukturelle Ausbeutung von Frauen gab es aber auch wichtige Widerstandsbewegungen. An erster Stelle sei “Wages for Housework” genannt, die in den 1960ern entstand und sich für die Anerkennung und Entlohnung von Hausarbeit einsetzte, um schließlich gegen die weibliche Zuschreibung dieser Arbeit im Ganzen vorzugehen.

Es ist die Forderung [nach einem Lohn für Hausarbeit], mit der unsere Natur endet und unser Kampf beginnt. Weil bereits einen Lohn für Hausarbeit zu wollen bedeutet, zu verweigern, dass diese Arbeit ein Ausdruck unserer Natur ist, und dadurch genau die weibliche Rolle zu verweigern, die das Kapital für uns erfunden hat.

Silvia Federici in “Wages Against Housework”, 1975

ℹ️Begriffserklärungen: 

¹Auch hier schreiben wir von ‘Frauen’ als historische Kategorie. Wir wollen anmerken, dass viele der Bedeutungen, die diese geschlechtliche Kategorie trägt, erst zu den Zeiten geprägt wurden, über die wir hier schreiben. Auch hat sich die Bedeutung seither weiter verlagert. Wir sollten nicht versuchen, heutige Ideen von Geschlecht in die Geschichte zu projizieren. Und während wir also eine geschichtliche Kategorie benennen wollen, ist uns bewusst, dass es immer schon Körper, Identitäten und Praktiken gab, die auf einer grundlegenden Ebene widerständig gegen geschlechtliche Zuordnungen und Binaritäten waren.

²weiliche Sozialisierung – Die Gesellschaft stellt bestimmte Anforderungen an Weiblichkeit, die alle Menschen, die sich mit Weiblichkeit identifizieren, oder die mit Weiblichkeit identifiziert werden, einem Druck aussetzen, diesen zu entsprechen. Diesen gesellschaftlichen Prozess des immer wiederholten Lernens von Weiblichkeits-Anforderungen nennen wir ‘weibliche Sozialisierung’. 

³Ehegattensplitting ist in Deutschland eine Möglichkeit für steuerliche Vorteile von verheirateten Paaren, die umso effektiver ist, je größer die Einkommensdifferenz der Partner*innen. In heterosexuellen Ehen, bei denen immer noch häufig der Mann mehr Geld verdient (siehe Gender Pay Gap), lohnt es sich für die Person mit geringerem Einkommen dann kaum noch, überhaupt zu arbeiten, was finanziell Paare begünstigt, in denen eine Person sich um den Haushalt kümmert, während die andere bezahlter Arbeit nachgeht. Ein Effekt davon ist, dass dadurch Personen mit wenig oder keinem Einkommen finanziell abhängig Partner*innen sind und diese Abhängigkeit nur schwer überwinden können.