Bevor wir in ungefähr zwei Monaten Texte zum Thema Männlichkeit und Täterschaft für euch haben, wollen wir mal ausprobieren, einen Text einzuschieben, der sich mit einem aktuellen Thema beschäftigt.
Die letzten Wochen lief im RTL die neue Staffel der Reality-Dating-Show Bachelorette. Das Format der Sendung ist im Prinzip sehr einfach: Im Zentrum steht eine Bachelorette (in unserem Fall Stella), die gerne andere Personen daten möchte. Da die Bachelorette dieses Jahr erstmalig bisexuell war, haben diesmal nicht nur Männer sondern auch Frauen um Stella geworben. Von Sendung zu Sendung werden dann von der Bachelorette Teilnehmer*innen ausgeschlossen, bis sie sich im Finale für eine der beiden übrigen Personen entscheidet.
Sowohl am Format, als auch an den Inhalten lässt sich viel Kritik üben: von problematischer Repräsentation von Bisexualität über strukturell mangelnde Repräsentation genderqueerer Personen, stark sexualisierende Darstellung von Frauen, kolonial-rassistische Geschmäckle im Zusammenhang mit der Wahl einer “exotischen” Drehlocation und sensationsgeile Misrepresentation der Teilnehmer*innen und der Bachelorette durch manipulative Schnitte bis hin zum generellen stark (schleich-)werbungs-, konsum- und luxusorientierten Gestus der Sendung.
Ich möchte mich im Rahmen des Kalenders allerdings nur zum Thema Männer auslassen. Denn, was diese Staffel durch die Mischung realer queerer Frauen mit realen straighten Männern besser zeigen konnte als jede Fiktion, war die Absurdität und reale Gefahr, die von heterosexuellen Männern im Dating und in sozialen Gruppen – insbesondere in Konkurrenzsituationen – für FLINTA ausgeht. Auch wird dieser Text keine neutrale, sachliche, vollständige oder faire Analyse, sondern ein wütendes, zynisches Coping mit der Realität heterosexuellen Datings anhand primär zweier Männer, die perfekte Spiegelflächen hergeben für einen Großteil der Männlichkeiten, die mir in meinem Leben begegnet sind.
Martin und Ferry haben es in der Sendung unter die letzten Vier geschafft, bevor sich Stella von ihnen verabschiedet hat. Martin ist gewissermaßen der stereotype Macker, der breit gebaut und (ab Folge 5) sonnenverbrannt rot wie ein rohes Steak immer wieder stolz erzählt, dass er morgens um 6 aufsteht und Sport treibt. Ferry ist angehender Rapper mit tragischer Backstory, der zu Beginn der Sendung mit den Girls gechillt hatte, bevor die eigentlich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten und er in Martin seinen neuen Buddy findet, den er auf Teufel komm raus beeindrucken will. Um allein die Misogynie und klar erkennbaren Gewaltpotentiale dieser beiden Typen während der Sendung aufzuzählen, ist dieser Text bei weitem nicht lang genug, darum nur eine Auswahl.
Martin schafft es zwar ins Halbfinale, fällt aber einschlägigen Reaction-Youtuber*innen schnell als Macker auf, wenn er in männerbündischer, misogyner Manier vier andere Typen und eine Teilnehmerin gegen eine andere aufhetzt um sie dann vor allen zu ‘konfrontieren’ und dafür ‘bloßzustellen’, dass sie geweint hat. Spätestens, als er ein klares “Nein” von Stella übergeht und durch körperliches Bedrängen Intimität in einem Pool erzwingt, um vor den anderen Teilnehmer*innen Besitzansprüche klarzumachen, haben sich wohl bei allen Feminist*innen die Alarmglocken überschlagen.
Ferry wird hingegen immer wieder in Schutz genommen – sowohl von Stella als auch von Zuschauer*innen – was mir völlig unverständlich bleibt. Ähnlich wie Martin hält er bereits den Anflug von Verlust von Überlegenheit oder Kontrolle nicht aus und macht emotional dicht oder reagiert cholerisch, um sich durch Körperlichkeit und Lautstärke oder verbale Angriffe vermeintliche Souveränität zurückzuerobern.
Regelmäßig droht er – mit dem ironischen oder künstlerischen Alibi in der Hintertasche – damit, körperlich gewaltvoll zu werden. Noch im Finale kündigt er beiläufig in einem Song an, Stellas Gläser zu zerschmettern. Er verschwört sich mit dem gleichen Eifer wie Martin gegen eine Frau, die er darum beneidet, Gefühle zeigen zu können, und wird im Anschluss für die Entschuldigung gefeiert, das Wort “Hure” benutzt zu haben. Aber so stumpf das ist: Es funktioniert. Authentische Reue für die falsche Sache zu zeigen, im richtigen Moment ehrliche Vulnerabilität aufzubauen und der Kontrast zum komplett losten Macker, machen ihn nicht nur vorübergehend zu Stellas Liebling, sondern auch zum Favoriten vieler Zuschauenden. Aber gerade die haben doch eigentlich den Einblick in seinen Kontrollzwang und die damit verbundenen Gewaltpotentiale, wenn sie sein Verhalten außerhalb der flirtenden Softboy-Attitude sehen. Dabei sollte klar sein, dass bereits die unterwürfige Best-Buddy-schaft mit Martin eine große red flag sein müsste. Dudes, die sich mit feministischem Vokabular Fuckability verschaffen, ohne aber ihre Misogynie anzurühren, outen sich nunmal regelmäßig damit, welche Freunde sie haben. Dabei müsste man ihnen nur zuhören: In seinem Podcast bezeichnet sich Ferry selbst als “true fucking sexist” und erklärt, dass ihn niemand so nennen wird, weil er “weiß, wie man nicht so klingt”.
Ich weiß nicht, inwiefern Martin und Ferry so erscheinen, wie sie es in der Staffel tun, weil RTL die Kontrolle über den Schnitt hat und ich möchte nicht spekulieren, wie sich die beschriebenen Situationen für die Betroffenen angefühlt haben. Uns allen sollte jedoch klar sein, dass sowohl das Verhalten, das wir von Ferry gesehen haben, als auch das Verhalten von Martin das Verhalten von gewalttätigen und übergriffigen Männern ist und die zugrundeliegende Abwertung von Frauen ausnahmslos in allen Teilnehmern zu sehen war – auch wenn nicht alle die (Sende-)Zeit hatten, sich so dramatisch zu outen wie Martin. Eine Sendung, bei der man sich endlich sicher sein kann: yes, all men.